Das Kontinenz-Infoportal

Der Innovationspreis 2021 ging an Univ.-Prof. Dr. Andreas Wiedemann für sein digitales Info-Tool, das Nebenwirkungen von Medikamenten auf den Harntrakt anzeigt

Deutsche Kontinenz Gesellschaft vergibt Auszeichnung für Neuentwicklung

Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft hat Univ.-Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologie am Evangelischen Krankenhaus Witten, auf dem Online-Jahreskongress im November mit ihrem ersten Innovationspreis ausgezeichnet – für den „Wittener HarntraktNebenwirkungs-Score“. Mittels dieses digitalen Tools ist es Fachärztinnen und Fachärzten nun erstmals möglich, fokussiert Medikamente zu identifizieren, deren Substanzen sich negativ auf das Harnsystem auswirken – und wie groß das Risiko dafür jeweils ist. Die Ermittlung erfolgt unkompliziert per PC oder Smartphone.

Nebenwirkungen von Arzneien zeigen sich oft im Bereich des Harnsystems, haben beispielsweise häufiges Wasserlassen zur Folge, Blasenentleerungsstörung, Blut im Urin und können auch Inkontinenz auslösen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Patienten mehrere Mittel für unterschiedliche Erkrankungen einnehmen – verordnet von verschiedenen Ärzten. Die Nebenwirkungen aller dieser Therapien auf den Harntrakt hat selten jemand im Blick. So können sie sich in gefährlicher Weise potenzieren. „Das Problem dabei war bisher auch, dass es keine allgemeine Übersicht oder Bewertung der Stoffe gab, die potenziell zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Harnsystem führen. Tatsächlich können eben auch Medikamente, die primär nichts mit dem Harntrakt zu tun haben, dennoch dort Beschwerden verursachen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Andreas Wiedemann, der auf dem Jahreskongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Es gibt zwar unterschiedliche Listen mit Nebenwirkungen von Medikamenten, sie stellen aber immer nur ausschnitthaft bestimmte Aspekte dar: Sie betrachten beispielsweise ausschließlich die pharmakologische Gruppe der Anticholinergika oder Patientinnen und Patienten über 65 Jahre.

Auf dieser Grundlage entstand die Idee für den „Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score“ [1], den Prof. Wiedemann gerade auch auf dem Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft vorgestellt hat. Der Urologe hat ihn zusammen mit seiner Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke entwickelt.

Der „Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score“ ist ein Programm für PC und Smartphone, das Ärztinnen und Ärzten konzentriert die Medikamente anzeigt, die ein gewisses Risiko für Nebenwirkungen im Harnsystem haben. „Das Tool gibt erstmalig die Möglichkeit, einzuschätzen, ob eine neu verordnete Arznei bei den Patientinnen und Patienten mit jeweils bekannten Risiken und Vorerkrankungen zu Nebenwirkungen im Harntrakt führen kann“, erklärt Prof. Wiedemann. Gleichzeitig hilft das browsergestützte Programm auch umgekehrt bei der Klärung, ob bestehende Beschwerden wie eine Belastungsinkontinenz möglicherweise durch Medikamente verursacht sind.

Intensive Recherche und akribische Evaluation. Für die Erstellung des Tools hat das Forscherteam zunächst Datenbanken nach Substanzen mit Nebenwirkungen auf den Harntrakt durchsucht. Anschließend wurde abgeglichen und bepunktet, wie oft sich die genannten unerwünschten Beschwerden in aktuellen klinischen Studien finden. Daraus ergab sich eine Liste mit 257 Medikamenten, deren jeweiliges Risiko für Nebenwirkungen auf das Harnsystem eine Punktzahl zwischen 1 (niedrig) und 7 (hoch) aufzeigt. „Eine weitere Risikobewertung der Arzneien mit gleicher Skala fand durch 33 Expertinnen und Experten der Funktionellen Urologie und Geriatrie statt. Je häufiger sie eine unbeabsichtigte Medikamentenwirkung in ihrem klinischen Alltag schon gesehen hatten, desto mehr Punkte bekam das Mittel, desto höher ist sein sogenannter Risiko-Score“, erläutert Prof. Wiedemann. „So hat jedes Medikament in unserem Programm zwei Risikopunktwerte, einen theoretischen und einen praktischen, die jeder urologisch tätige Arzt zur Einschätzung nutzen kann. Sie hilft ihm, Patienten mit Inkontinenz besser therapeutisch zu begleiten.“

Die Entwicklung wurde mit Unterstützung der Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH ermöglicht. Der „Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score“ kann kostenfrei unter www.harntrakt.de von Ärzten genutzt werden, er ist nicht für die Verwendung von Patientinnen und Patienten bestimmt. Hinweis an die Presse: Die Webadresse sollte nur in Fachmedien veröffentlicht werden.

Der Innovationpreis der Deutschen Kontinenz Gesellschaft dient der Auszeichnung von wissenschaftlichen Arbeiten sowie diagnostischen und anwendungstechnischen Entwicklungen mit Zukunftscharakter, die die Versorgung der Patienten verbessern. Er wurde in diesem Jahr erstmalig vergeben – auf der Eröffnungsveranstaltung des Jahreskongresses der Fachgesellschaft am 5. November 2021. Sponsor des Preises ist das Unternehmen Medtronic GmbH

Gerne unterstütze ich Sie bei Ihrer Berichterstattung. Auf Wunsch vermittle ich Ihnen auch ein Interview mit Univ.-Prof. Dr. Andreas Wiedemann.

Pressekontakt der Deutschen Kontinenz Gesellschaft:
Heidrun Bobeth
Telefon: 040 – 889 13 661
E-Mail: presse@kontinenz-gesellschaft.de
Website: www.kontinenz-gesellschaft.de

Inkontinenz ist eine Volkskrankheit. Es gibt in Deutschland über neun Millionen Betroffene. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. setzt sich seit 1987 für eine Verbesserung der Diagnose, Behandlung und Prävention ein – von Harn- und Stuhlinkontinenz sowie dem Einnässen beim Kind. Unter www.kontinenz-gesellschaft.de finden Betroffene und Angehörige wertvolle Informationen sowie örtliche Adressen von anerkannten ärztlichen Beratungsstellen sowie zertifizierten Kontinenz- und Beckenbodenzentren. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft ist eine gemeinnützige, medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Durch regelmäßige Fortbildungs-Veranstaltungen trägt sie darüber hinaus maßgeblich zur Qualitätssicherung in der Behandlung und Beratung von Menschen mit Inkontinenz bei.

Literatur:
[1] A. Wiedemann et. al. – Uro-Geriatrie der Universität Witten/Herdecke
„Unerwünschte Arzneimittelwirkungen am Harntrakt – der Wittener Harntrakt-Nebenwirkungs-Score“
Aktuelle Urologie 2021; 52(05): 481-489
DOI: 10.1055/a-1352-9370
www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1352-9370