16. Welt Kontinenz Woche 2024 startet: Deutsche Kontinenz Gesellschaft sieht Versorgung von Betroffenen mit Inkontinenz gefährdet
Vom 17.06. bis 23.06.2024 findet die 16. Welt Kontinenz Woche statt. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft nimmt diese weltweite Aktionswoche zum Anlass auf die Entwicklung eines Versorgungsdefizits in Deutschland hinzuweisen. Obwohl 10 Mio. Menschen in Deutschland von Inkontinenz betroffen sind, ziehen sich Gesundheitseinrichtungen aufgrund einer eklatanten Unterfinanzierung aus der Versorgung von Inkontinenz und Erkrankungen des Beckenbodens zurück. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft fordert deshalb dazu auf, das Thema Inkontinenz auf die gesundheitspolitische Agenda zu setzen und plädiert für eine nationale Inkontinenz-Strategie, analog der bereits bestehenden nationalen Diabetes-Strategie. Von Inkontinenz sind in etwa ebenso viel Menschen betroffen, wie von Diabetes. Darüber hinaus wird diese besondere Aktionswoche wieder gezielt dafür genutzt, um über Inkontinenz aufzuklären und das damit verbundene Tabu zu brechen. Bundesweit werden 150 Aktionen angeboten, darunter viele Informationsveranstaltungen für Patient:innen.
Vom 17.06. bis 23.06.2024 findet erneut die 16. Welt Kontinenz Woche statt. Neben rund 150 Aktionen und Informationsveranstaltungen bundesweit, die die einzelnen Mitglieder der Deutschen Kontinenz Gesellschaft – Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Pflegefachkräfte und Apotheker:innen – in Ihren Gesundheitseinrichtungen durchführen, macht die Deutsche Kontinenz Gesellschaft in diesem Jahr insbesondere auf das wachsende Versorgungsdefizit bei Menschen mit Inkontinenz und Erkrankungen des Beckenbodens aufmerksam.
„Inkontinenz und Erkrankungen des Beckenbodens werden noch immer bagatellisiert und als harmlose Alterserscheinung abgetan. Das ist ein Fehlurteil. Gerechnet auf die Gesamtbevölkerung ist jeder 9. in Deutschland an Inkontinenz erkrankt und die Betroffenen leiden. Eine Teilhabe am Leben ist praktisch nicht mehr möglich. Aktuell sorgen wir uns um die adäquate Versorgung dieser Betroffenen“, so Prof. Dr. Andreas Wiedemann, 1. Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft, Chefarzt Urologie am Ev. Krankenhaus Witten und Inhaber des Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke.
Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft macht deutlich, dass bei einer frühzeitigen Behandlung die Heilungschancen hoch sind, so kann bei 80-90% der Betroffenen eine Heilung oder zumindest eine Verbesserung erzielt werden. Bleibt die Behandlung aus, verschlechtert sich die Situation der Betroffenen kontinuierlich, Folgeerkrankungen sind vorprogrammiert. Typische Folgeerkrankungen der Inkontinenz sind Hautreizungen, Infektionen und Geschwüre, Harnwegsinfekte, Blasen- oder Nierenbeckenentzündung, Stürze, Beeinträchtigung der Sexualität, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken. Inkontinenz ist darüber hinaus einer der Hauptgründe für den Einzug in ein Pflegeheim.
Was die Versorgungsstruktur betrifft, zeigt sich nach Auskunft der Deutschen Kontinenz Gesellschaft verstärkt, dass sich immer mehr Ärzt:innen und Gesundheitseinrichtungen aus der Behandlung von Inkontinenzerkrankungen zurückziehen. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft führt diese Entwicklung darauf zurück, dass die Inkontinenzerkrankung im Vergütungssystem des Gesundheitswesens ungenügend abgebildet wird. Die Behandlung ist für die Gesundheitseinrichtung unwirtschaftlich. Als ein Beispiel führt die Deutsche Kontinenz Gesellschaft die Urodynamikuntersuchung an. Es handelt sich hier um eine komplexe, einstündige Untersuchung unter Einsatz eines Facharztes und einer Pflegekraft, die für die Beurteilung der Inkontinenzform notwendig und für die Therapiefestlegung zentral ist. Die in den Vergütungskatalogen festgelegte Vergütung deckt die entstehenden Kosten nicht.
Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft schlägt deshalb Alarm und macht deutlich, dass die Inkontinenz als Erkrankung offensichtlich gänzlich aus dem Blickwinkel der gesundheitspolitisch Verantwortlichen geraten ist, trotz eines deutlich anwachsenden Versorgungsbedarfs als Konsequenz des demographischen Wandels.
„Inkontinenz muss im gesundheitspolitischen Diskurs, gerade in einer alternden Gesellschaft, eine größere Rolle spielen. Es ist dringend erforderlich, dem Versorgungsdefizit politisch gegenzusteuern. Es scheint aber so, als hätten die gesundheitspolitisch Verantwortlichen das Thema Inkontinenz gar nicht auf der Agenda. Von dem Leiden der Betroffenen abgesehen, ist die Nichtbehandlung einer Inkontinenz keine Einsparungsoption, es wird zu höheren Kosten im Gesundheitswesen und in Folge auch im Pflegesystem führen“, so der Vorsitzende der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft fordert deshalb dazu auf, das Thema Inkontinenz auf die gesundheitspolitische Agenda zu setzen. „Es ist Zeit zu handeln. Wir fordern eine nationale Inkontinenz-Strategie“, so Professor Wiedemann.
Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft plädiert ausdrücklich dafür, ein Expert:innengremium einzusetzen, in dem Leistungsträger und Leistungserbringer sowie Betroffene Eckpunkte zur Verbesserung der präventiven, diagnostischen und therapeutischen Versorgung bei Inkontinenz erarbeiten. Darüber hinaus sind die Vergütungskataloge auf den Prüfstand zu stellen.
Neben diesen politischen Forderungen ist auch in diesem Jahr Ziel der Welt Kontinenz Woche ein öffentliches Bewusstsein für Inkontinenz und Erkrankungen des Beckenbodens zu schaffen und bietet Betroffenen und ihren Angehörigen Information und Aufklärung zu den unterschiedlichen Formen der Inkontinenz, zu den Therapiemöglichkeiten und Heilungschancen. Darüber hinaus besteht in dieser Aktionswoche die Möglichkeit, wohnortnah in den Austausch mit anerkannten Expert:innen zu treten. Eine Übersicht aller Veranstaltungen gibt es auf der Internetseite der Deutschen Kontinenz Gesellschaft:
https://www.kontinenz-gesellschaft.de/veranstaltungen/veranstaltungen-wkw
Pressekontakt der Deutschen Kontinenz Gesellschaft
Dr. Marion Friers
Geschäftsführerin der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.
Rebecca Donner
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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E-Mail: presse@kontinenz-gesellschaft.de
Website: www.kontinenz-gesellschaft.de
Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. wurde 1987 gegründet und ist die einzige medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich als ausgewiesenes Netzwerk von 2500 Fachexpert:innen auf die Förderung der Prävention, Diagnostik und Behandlung von Menschen mit Problemen der Harn- und Stuhlinkontinenz sowie funktionellen Störungen und Erkrankungen des Beckenbodens spezialisiert hat. Sie gehört zu den wenigen interdisziplinär aufgestellten medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und ist auch Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF).
Mitglieder der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V. sind Mediziner:innen der Fachrichtungen Urologie, Gynäkologie und Chirurgie, sowie der Fachrichtung Neurologie und Pädiatrie, spezialisierte Pflegefachkräfte und Physotherapeut:innen sowie Apotheker:innen. Zu den zentralen Aufgaben der Deutschen Kontinenz Gesellschaft gehören neben Information und Aufklärung insbesondere das Thema Qualitätssicherung in der Behandlung und Beratung von Menschen mit Inkontinenz. Hier trägt die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. zur qualitativ hochwertigen Versorgung von Betroffenen bei, indem sie bundesweit flächendeckend ärztliche Beratungsstellen anerkennt und mit vier weiteren medizinischen Fachgesellschaften die Zertifizierung von Kontinenz- und Beckenboden-Zentren vornimmt. Darüber hinaus zertifiziert die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie die Zentren für Interstitielle Zystitis – IC (Blasenschmerzsyndrom). Bundesweit gibt es 1120 Beratungsstellen, 44 Kontinenz- und Beckenbodenzentren sowie 11 IC-Zentren. Weiterhin fördert die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. aktiv mit regelmäßigen Kongressen und unterschiedlichen Bildungsangeboten einen gezielten Wissenschaftstransfer in die Praxis.